„Treten Sie näher, meine Damen und Herren – wir reisen heute in die geheimnisvolle Vergangenheit Palmas! Nicht durch Bücher, sondern Schritt für Schritt, mit offenen Augen und gespitzten Ohren.“
So beginne ich oft meine Touren, wenn wir am Plaça de Cort stehen – direkt vor der ehrwürdigen Olive von Cort. Genau hier beginnt ein Weg, der uns zurückführt in ein Kapitel mallorquinischer Geschichte, das lange verschüttet war: das jüdische Viertel von Palma, auch Call genannt.

Ein Viertel, zwei Namen: Call Menor und Call Major
In der Blütezeit des Mittelalters bestand das jüdische Viertel aus zwei Teilen: dem Call Menor, dem älteren Teil, und dem späteren Call Major. Während wir durch die heutigen Straßen Carrer de les Monges, Argenteria oder Plateria schlendern, könnten wir fast übersehen, dass wir hier durch das ursprüngliche jüdische Viertel spazieren. Damals war dieser Ort voller Leben, voller Stimmen, fremder Sprachen, des Duftes von Gewürzen und Papier – denn viele Juden waren Händler, Ärzte, Gelehrte oder Buchhändler.
Ich bitte Sie, für einen Moment stehen zu bleiben. Sehen Sie den schmalen Durchgang zwischen den Häusern dort? Das ist Na Dragona – ein winziger, fast geheimer Übergang. Früher verband er Wohnhäuser und Höfe. Derartige Gassen erzählen mehr über das Leben im Call als jedes Geschichtsbuch. Enge war hier Normalität – nicht nur baulich, sondern auch sozial.
Der Call Major: Zwischen Schutz und Ausgrenzung
Nach dem Jahr 1300 zog die wachsende Gemeinde weiter – in den Call Major, den „großen Call“. Dieser befand sich im nordöstlichen Teil der Altstadt. Was viele nicht wissen: Die Juden durften dort wohnen, übernachten, ihre Kinder erziehen – aber nicht arbeiten. Ihre Geschäfte führten sie außerhalb der Mauern, meist unter misstrauischen Blicken.
Die Carrer del Sol, durch die wir gleich gehen werden, war eine der beiden Lebensadern dieses neuen Viertels. Damals wurde der Call Major sogar durch eine Mauer mit vier Toren geschützt – oder, je nach Perspektive, abgeriegelt. Nur wenige Spuren davon sind erhalten, doch eine Gedenktafel am Boden der Carrer del Sol erinnert uns heute an eines dieser Tore.
Stiller Zeuge: Die Iglesia de Montesión
Folgen Sie mir nun zur Calle de Montesión. Dort erhebt sich die Kirche Iglesia de Montesión, ein Bauwerk, das auf den ersten Blick einfach eine weitere barocke Kirche ist. Doch wenn Sie genau hinschauen, entdecken Sie ein rätselhaftes Detail: In den Fugen der Grundmauern stecken kleine, gefaltete Papierzettel. Manche mit Schrift, manche nur mit Symbolen.
Diese Steine sind Überreste der einstigen Hauptsynagoge des jüdischen Viertels. Gläubige und Touristen, Juden wie Nichtjuden, hinterlassen hier ihre Wünsche – ein stilles Echo auf das religiöse Leben, das hier einst blühte.

1391 – Der Schatten fällt über das Viertel
Jede Stadt hat ihre dunklen Kapitel. Für Palma war es der 14. August 1391, als ein aufgebrachter Mob in den Call Major eindrang. Es war ein Akt der Gewalt, des Hasses – über 300 Juden verloren ihr Leben. Die Folgen? Bekehrungen, Zwangstaufen, Flucht.
Aus den Überlebenden wurden die sogenannten Chuetas – konvertierte Juden, die dennoch nie ganz akzeptiert wurden. Ihre Namen, ihre Herkunft klebten wie ein unsichtbares Etikett an ihnen – bis weit in die Moderne. Noch bis in die 1950er-Jahre wurden sie gesellschaftlich benachteiligt. Ein Schatten, der lange über Familien lag.
Wiederentdeckung und Stolz: Das jüdische Erbe heute
Doch heute? Heute ist das jüdische Erbe wieder sichtbar – mit Stolz und Neugier. Palma ist seit 2005 Mitglied im Red de Juderías de España, einem Netzwerk, das die jüdischen Routen Spaniens neu belebt. Jedes Jahr im September wird der Europäische Tag der jüdischen Kultur gefeiert – mit Führungen, Vorträgen und Musik.
Auch Jewish Mallorca, mit dem ich zusammenarbeite, hat sich der Aufgabe verschrieben, dieses Erbe mit Respekt und Tiefe zu vermitteln. Nicht museal, sondern lebendig. Wir wollen nicht nur informieren, sondern berühren.
Vom Museum bis zur Erinnerung
Die Tour führt uns weiter entlang der Calle Morey und Calle Portella, vorbei am Museu de Mallorca, wo Sie Spuren jüdischer Geschichte – Münzen, Inschriften, Keramiken – entdecken können. Es ist leise dort, fast andächtig. Und manchmal, wenn ich eine Gruppe führe und plötzlich alles still wird, glaube ich zu spüren, wie die Geschichte wieder spricht.
Dann erreichen wir die Calle Call, ein Name, der geblieben ist. Und schließlich die Costa del Teatre, wo wir unsere Tour beenden. Hier, an den Treppen, trifft das heutige Palma auf die Erinnerung – mal verborgen, mal deutlich, aber nie vergessen.
„Und jetzt, meine Damen und Herren, lade ich Sie ein: Schließen Sie die Augen für einen Moment. Atmen Sie die Luft ein. Hören Sie die Schritte auf dem Pflaster. Vielleicht – ganz vielleicht – hören Sie noch das Flüstern der Geschichte.“
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